Wurzel des Baumes - Aufbau & Funktion von Wurzelsystemen
Der gesamte Wurzelbereich einer Pflanze ist absolut gleichzusetzen in seiner Wichtigkeit mit dem oberirdischen Pflanzenteil. Das Zusammenspiel beider Pflanzenteile muss in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dieser Grundsatz wird leider oft genug ignoriert oder aus Unwissenheit nicht ausreichend bei Pflanzungen oder Baumaßnahmen beachtet.
Die Wurzel hat im wesentlichen drei Hauptaufgaben zu erfüllen.
- für Standfestigkeit zu sorgen
- die oberirdischen Pflanzenteile mit Nährstoffen zu versorgen (umgekehrt muss der oberirdische Teil die Wurzel mit Assimilaten versorgen)
- Speicherung
Damit die Wurzel diese Funktionen erfüllen kann, ist sie zweckmäßig ausgestattet. Um das Durchdringen des erschliessbaren Bodenraumes erst zu ermöglichen, besitzt eine Wurzel an ihrer Spitze die schützende Wurzelhaube (Kalyptra). Deren Tastzellen geben nach dem Prinzip des "geringsten Widerstandes" die Wuchsrichtung der Wurzel vor. Dahinter befindet sich die Zellteilungs- und Streckungszone. Diese besondere Zellschicht, das Perizykel, besteht aus entwicklungsfähigen, meristematischen Zellen und steuert das Längen- und das Breitenwachstum. Das Perizykel umschließt den in der Mitte der Wurzel befindlichen Zentralzylinder, der die Leitbündel als zentralen Strang mit hoher Zugfestigkeit enthält.
Die Umhüllungen der aufnahmefähigen Faser-, Fein- oder Feinstwurzeln besitzen keine Kuttikula. Damit sind sie für die Aufnahme von Wasser und den darin gelösten Mineralsalzen durchlässig. Mittels der fein ausgebildeten Faserwurzeln wird eine enge Verbindung mit den Bodenteilchen eingegangen, wodurch sich diese chemisch aufschliessen lassen. Der bereits verholzte Teil der Wurzel dient zum Transport und zur statischen Festigkeit der Pflanze.
Der Wurzelaufbau - Die Bausteine
Die einzelnen Bestandteile bzw. Bausteine der Wurzel, befinden sich entweder nur in der Verzweigungs- oder Ernährungszone. Gegebenenfalls kommen sie auch, wie in fast allen Fällen, in beiden Zonen gleichermaßen vor.
- Exodermis: weitestgehend wasserundurchlässig, bis auf wenige Zellen.
- Rinde: Gewebe, welches aus mehreren Schichten besteht und zudem für die Speicherung von Reservestoffen dient.
- Rhizodermis: bildet die Wurzelhaare. Nach dem Absterben wird sie von der Epidermis ersetzt.
- Endodermis: ist die innerste Zellschicht der Rinde. Hier wird der Wurzeldruck durch pressen des Wassers in den Zentralzylinder erzeugt.
- Zentralzylinder: mit den nebeneinander angeordneten Leitbündeln.
- Phloem: Siebteil für die Leitung von organischen Stoffen und Assimilaten.
- Xylem: Gefäßteil für den Transport von Wasser.
- Perizykel: Kambium, welches als äußerste Schicht des Zentralzylinders für das Dickenwachstum und die Bildung der Seitenwurzeln zuständig ist.
- Wurzelhaube: erleichtert und bietet Schutz beim Eindringen in den Boden.
Besondere Wurzelformen & Systeme
- Speicherwurzeln; bei denen die Hauptwurzel verdickt ist (z. B. Rübe).
- Wurzelknollen; bei der die Seitenwurzeln verdickt sind (z. B. Dahlien).
- Adventivwurzeln; die sich direkt am Spross oder bei Bäumen am Stammfuß bilden und meist ein Indiz für eine Schädigung des Baumes sind.
- Luftwurzeln; entnehmen der Luft Feuchtigkeit und Nährstoffe und kommen oft bei tropischen Pflanzen vor (z. B. Orchideen)
- Kletter/Haftwurzeln; geben den Pflanzen Halt und können auch Feuchtigkeit und Mineralsalze aufnehmen.
Die Vielzahl der unterschiedlichen Wurzelsysteme ist das Ergebnis des natürlichen Überlebenskampfes. Jedes Wurzelsystem nutzt den Bodenraum anders, das mindert die Konkurrenz zwischen den Pflanzen.
Im wesentlichen unterteilt man die Wurzelbildung von freiwachsenden Bäumen in drei Systeme.
- Flachwurzler; (Monokotyledonen) deren Hauptwurzel stirbt frühzeitig ab und alle Wurzeln setzen als Kronenwurzeln an der Sprossbasis an. Von diesen Kronenwurzeln, zweigen vertikale Seitenwurzeln ab. Dadurch können Wasser und Nährstoffe nicht aus unteren Bodenschichten erschlossen werden. Die benötigte Standsicherheit wird durch das Bilden eines großen Wurzeltellers erhalten.
- Herzwurzler; ist die typische Wurzelanordnung für eine Mehrzahl der Laubgehölze. Kennzeichnend für diese Form sind viele senkrechte Hauptwurzeln, die ein kompaktes Wurzelsystem bilden. Die strahlenförmig abgehenden Wurzeln ermöglichen ein intensives Aufschliessen des Wurzelraumes.
- Pfahlwurzler; (Dikotyledonen) deren oberirdische Stamm sich als unterirdische Hauptachse fortsetzt. Es dominiert eine senkrecht laufende Hauptwurzel. Dadurch ist es möglich, selbst aus tieferen Bodenschichten, Wasser und Nährstoffe zu erreichen.
Die Stärke der Wurzeln schwankt erheblich mit der Bodenstruktur. In lockeren Böden sind sie im Allgemeinen dünner, in dicht gelagerten Böden kommen sie verdickter vor, da sie mehr Durchsetzungskraft benötigen. Die arteigene Dicke der Wurzel erlaubt daher Rückschlüsse auf ihren ursprünglichen Standort. Bei einem optimalen Baumumfeld und vor allen Dingen artgerechten Bodenverhältnissen, wird eine Wurzelmasse, je nach Pflanze, von bis zu 1:1 im Verhältnis zum oberirdischen Biomassenvolumen der Krone gebildet.
Besonders in stark verdichteten Bereichen, die von den Wurzeln nicht erschlossen werden können, entwickeln sich die Wurzeln entgegen der oben genannten Wurzelsysteme jedoch völlig anders. In diesen Fällen richtet sich das Wurzelwachstum gänzlich nach dem durchwurzelbaren Bodenraum, wobei sich jede bietende Möglichkeit gnadenlos genutzt wird.
Mit jedem Prozent Abnahme der optimalen Bedingungen, verursacht durch mangelnde Bodengüte, fehlender Bodenluft, fehlender Wasserversorgung, Bodenverdichtungen u.s.w., müssen die Bäume unverhältnismäßig mehr Assimilate aus den oberirdischen Pflanzenteilen für die Versorgung und Entwicklung der Wurzel aufwenden.
Dieses Ungleichgewicht geht natürlich nicht spurlos an den Bäumen vorüber. Die oberirdische Baumentwicklung zeigt sich in reduzierter Kronentätigkeit und Stammausbildung.