Dritter Abschnitt: Anwendung von Pflanzenschutzmitteln
§ 6 Allgemeines
(1) Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist nach guter fachlicher Praxis zu verfahren. Pflanzenschutzmittel dürfen nicht angewandt werden, soweit der Anwender damit rechnen muss, dass ihre Anwendung im Einzelfall schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf Grundwasser oder sonstige erhebliche schädliche Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt, hat. Die zuständige Behörde kann Maßnahmen anordnen, die zur Erfüllung der in den Sätzen 1 und 2 genannten Anforderungen erforderlich sind.
(2) Pflanzenschutzmittel dürfen auf Freilandflächen nur angewandt werden, soweit diese landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden. Sie dürfen jedoch nicht in oder unmittelbar an oberirdischen Gewässern und Küstengewässern angewandt werden.
(3) Die zuständige Behörde kann Ausnahmen von Absatz 2 genehmigen, wenn der angestrebte Zweck vordringlich ist und mit zumutbarem Aufwand auf andere Weise nicht erzielt werden kann und überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere des Schutzes von Tier- und Pflanzenarten, nicht entgegenstehen.
§ 6a Besondere Anwendungsvorschriften
(1) Pflanzenschutzmittel dürfen einzeln oder gemischt mit anderen nur angewandt werden, wenn sie zugelassen sind und nur in den in der Zulassung festgesetzten und in der Gebrauchsanleitung angegebenen, in den nach § 18 Abs. 1 Satz 1 genehmigten und nach § 18a Abs. 4 bekanntgemachten oder in den nach § 18b Abs. 1 Satz 1 genehmigten Anwendungsgebieten und entsprechend den in der Zulassung festgesetzten und in der Gebrauchsanleitung angegebenen oder nach § 18a Abs. 4 bekanntgemachten Anwendungsbestimmungen. Sie dürfen im Haus- und Kleingartenbereich nur angewandt werden, wenn sie mit der Angabe "Anwendung im Haus- und Kleingartenbereich zulässig" gekennzeichnet sind.
(2) Für Pflanzenschutzmittel, deren Inverkehrbringen oder Einfuhr nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 und 3 genehmigt worden ist, gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend.
(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 dürfen Pflanzenschutzmittel, deren Zulassung nach § 16 Abs. 1 oder 2 Satz 1 endet, noch bis zum Ablauf des zweiten auf das Ende der Zulassung folgenden Jahres angewandt werden. Sie dürfen nicht angewandt werden, soweit die Anwendung durch Rechtsverordnung auf Grund dieses Gesetzes beschränkt ist oder die Biologische Bundesanstalt nach Ende der Zulassung durch Allgemeinverfügung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf vorgelegen hätten.
(4) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für
- Pflanzenschutzmittel, die zu Forschungs-, Untersuchungs- und Versuchszwecken (Versuchszwecke) angewandt werden,
- Pflanzenschutzmittel, deren Anwendung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3, 6 und 15 oder nach § 4 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 2 Buchstabe b, jeweils in Verbindung mit § 5 Abs. 2, angeordnet worden ist,
- Pflanzenschutzmittel, die für landwirtschaftliche forstwirtschaftliche oder gärtnerische Zwecke zur Anwendung im eigenen Betrieb hergestellt werden, soweit dazu nicht Mittel verwandt werden, die Stoffe oder Zubereitungen enthalten, die zu gewerblichen Zwecken oder im Rahmen sonstiger wirtschaftlicher Unternehmungen in den Verkehr gebracht oder eingeführt worden sind, es sei denn, die Stoffe und Zubereitungen
a.) dürfen nach den Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft bei der Erzeugung von Produkten aus ökologischem Anbau angewandt werden und
b.) sind in einer Liste der Biologischen Bundesanstalt aufgeführt, - Mittel, die zur Bekämpfung pflanzlicher Mikroorganismen angewandt werden
a.) innerhalb geschlossener Räume oder Rohrsysteme in Betrieben und Anlagen, die einer gewerbe-, bergbau-, atom- oder gesundheitsrechtlichen Aufsicht unterliegen; dies gilt nicht für die Anwendung in Räumen, die der Erzeugung von Pflanzen oder dem Inverkehrbringen von Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen dienen,
b.) in Anlagen des sanitären Bereichs.
Die Biologische Bundesanstalt nimmt Stoffe und Zubereitungen in die Liste nach Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b auf, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, dass sie bei sachgerechter Anwendung oder als Folge einer solchen Anwendung schädliche Auswirkungen, insbesondere auf die Gesundheit von Mensch und Tier, das Grundwasser und den Naturhaushalt haben. Die Biologische Bundesanstalt macht die Liste im Bundesanzeiger bekannt.
§ 7 Anwendungsverbote
(1) Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird ermächtigt, soweit es zum Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier oder zum Schutz vor Gefahren, insbesondere für den Naturhaushalt, erforderlich ist, im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Wirtschaft, für Arbeit und Sozialordnung und für Gesundheit sowie im Falle der Nummer 1 auch mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- die Anwendung
a.) bestimmter Pflanzenschutzmittel oder von Pflanzenschutzmitteln mit bestimmten Stoffen,
b.) von Pflanzenschutzmitteln unter Verwendung bestimmter Geräte oder Verfahren, - den Anbau bestimmter Pflanzenarten auf Grundstücken, deren Böden mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind, sowie die Verwendung bestimmter dort gewonnener Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse,
- das Abgeben von Pflanzenschutzmitteln, die unter eine Regelung nach Nummer 1 Buchstabe a fallen, an den Anwender,
- das Inverkehrbringen, die Einfuhr oder die Verwendung von Saatgut, Pflanzgut oder Kultursubstraten, die bestimmte Pflanzenschutzmittel enthalten oder denen bestimmte Pflanzenschutzmittel anhaften,
zu verbieten, zu beschränken oder von einer Genehmigung oder Anzeige abhängig machen; dabei kann vorgesehen werden, dass die Genehmigung von der Biologischen Bundesanstalt zu erteilen und die Anzeige ihr gegenüber zu erstatten ist.
(2) Soweit durch Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nr. 1 die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln beschränkt wird, können insbesondere Zweck, Art, Zeit, Ort und Verfahren der Anwendung des Pflanzenschutzmittels vorgeschrieben oder verboten sowie die aufzuwendende Menge und nach der Anwendung einzuhaltende Wartezeit vorgeschrieben werden.
(3) Ein mit der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels festgesetztes Anwendungsgebiet darf durch Rechtsverordnung nach Absatz 1 Nr. 1 nicht ausgeschlossen werden, es sei denn, dass zuvor die Zulassung unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zurückgenommen oder widerrufen worden ist. Wird die Rücknahme oder der Widerruf der Zulassung unanfechtbar aufgehoben, so ist die Rechtsverordnung insoweit nicht mehr anzuwenden.
(4) Bei Gefahr im Verzuge kann das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Rechtsverordnungen nach Absatz 1 ohne Zustimmung des Bundesrates und ohne Einvernehmen mit anderen Bundesministerien erlassen; sie treten spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.
(5) Die Landesregierungen werden ermächtigt, Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe b zu erlassen, soweit das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von seiner Befugnis keinen Gebrauch macht.
§ 8 Weitergehende Länderregelungen
Befugnisse der Länder,
- 1. Vorschriften zu erlassen, über
a.) die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten nach wasserrechtlichen oder naturschutzrechtlichen Bestimmungen,
b.) die Einzelheiten der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln an oberirdischen Gewässern oder Küstengewässern oder
c.) die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Freilandflächen, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch genutzt werden, oder - a.) die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unter Verwendung bestimmter Geräte oder Verfahren oder
b.) den Anbau bestimmter Pflanzenarten auf Grundstücken, deren Böden mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind, sowie die Verwendung bestimmter dort gewonnener Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse zu verbieten, zu beschränken oder von einer Genehmigung oder Anzeige abhängig zu machen, bleiben unberührt.
§ 9 Anzeige
Wer Pflanzenschutzmittel für andere - außer gelegentlicher Nachbarschaftshilfe - anwenden oder zu gewerblichen Zwecken oder im Rahmen sonstiger wirtschaftlicher Unternehmungen andere über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln beraten will, hat dies der für den Betriebssitz und der für den Ort der Tätigkeit zuständigen Behörde vor Aufnahme der Tätigkeit anzuzeigen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die näheren Vorschriften über die Anzeige und das Anzeigeverfahren zu erlassen. Sie können durch Rechtsverordnung diese Befugnis auf oberste Landesbehörden übertragen.
§ 10 Persönliche Anforderungen
(1) Wer
- Pflanzenschutzmittel in einem Betrieb
a.) der Landwirtschaft einschließlich des Gartenbaus oder der Forstwirtschaft oder
b.) zum Zwecke des Vorratsschutzes anwendet, - eine nach § 9 anzeigepflichtige Tätigkeit ausübt oder
- Personen anleitet oder beaufsichtigt, die Pflanzenschutzmittel im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses anwenden, soweit dies zur Ausbildung gehört, muss die dafür erforderliche Zuverlässigkeit und die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten haben und dadurch die Gewähr dafür bieten, dass durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln keine vermeidbaren schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine sonstigen vermeidbaren schädlichen Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt, auftreten.
(2) Die zuständige Behörde kann die in Absatz 1 bezeichneten Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass derjenige, der diese Tätigkeiten ausübt, die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt.
(3) Die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten sind der zuständigen Behörde auf Verlangen nachzuweisen. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über Art und Umfang der erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie über das Verfahren für deren Nachweis zu erlassen. Die Landesregierungen werden ermächtigt,
- Rechtsverordnungen nach Satz 2 zu erlassen, soweit die Bundesregierung von ihrer Befugnis keinen Gebrauch macht,
- durch Rechtsverordnung, soweit es zur Erfüllung der in § 1 genannten Zwecke erforderlich ist, den Anwendungsbereich des Absatzes 1 auf Personen auszudehnen, die Pflanzenschutzmittel auf Grundstücken anwenden, die im Besitz juristischer Personen des öffentlichen Rechts stehen.
Die Landesregierungen können diese Befugnis durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.
§ 10a Anwendung zu Versuchszwecken
(1) Pflanzenschutzmittel dürfen zu Versuchszwecken nur angewandt werden, wenn die Anwendung keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf Grundwasser sowie keine sonstigen schädlichen Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt, erwarten lässt. Sie dürfen ferner nur angewandt werden, wenn der Anwender die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen hat. Die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten sind der zuständigen Behörde durch Vorlage der durch Rechtsverordnung nach Absatz 3 vorgesehenen Bescheinigungen nachzuweisen. Im Einzelfall kann die zuständige Behörde abweichend von Satz 2 auf Antrag die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu Versuchszwecken genehmigen, sofern dadurch keine schädlichen Auswirkungen auf die in Satz 1 genannten Schutzgüter zu erwarten sind. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht für Versuche, die von der Biologischen Bundesanstalt oder den nach § 34 zuständigen Behörden durchgeführt werden.
(2) Die zuständige Behörde kann die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu Versuchszwecken ganz oder teilweise untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass derjenige, der Pflanzenschutzmittel zu Versuchszwecken anwendet, die erforderliche Zuverlässigkeit oder die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht besitzt.
(3) Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird ermächtigt, im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung, für Gesundheit und für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres über Art und Umfang der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu Versuchszwecken und der erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie das Verfahren für deren Nachweis zu regeln.